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Geschichte der Neustädter Marienkirche

Die Stadt Bielefeld wurde 1214 durch Graf Hermann IV. von Ravens­berg als wirt­schaft­liches Zentrum der Graf­schaft gegründet. Sein Sohn Ludwig errich­tete wohl um 1240 bis 1250 die Sparren­burg ganz in der Nähe. In der 2. Hälfte des 13. Jahr­hun­derts entstand zwischen Burg und Stadt eine weitere Ansied­lung, die Neustadt. Im Jahre 1292 wird erstmals eine Kirche zwischen Burg und der nun soge­nannten Altstadt urkund­lich erwähnt.

Der Bau­beginn der Neu­städter Marien­kirche lässt sich mit der Grün­dung des Marien­stiftes durch Graf Otto III. von Ravens­berg und seiner Gattin Hedwig zur Lippe auf den 14. Juli 1293 datieren, das Weihe­datum ist nicht bekannt. Bei dieser Grün­dung handelte es sich um ein Stift für Kano­niker, das den täglichen Chor- und Gebets­dienst für die gräf­liche Familie verrichten sollte (wie auch für die späteren Landes­herren, die Herzöge von Jülich-Berg bzw. Kleve, Grafen von der Mark). Die vorhan­dene Pfarr­kirche wird an diesem Datum urkun­dlich zur Stifts­kirche erhoben und Haus­kirche sowie Grab­lege der Grafen, was ihren Herr­schafts­anspruch unter­streichen sollte. Marienstatue am Hauptportal: 11,9 KB Auch die - erst Anfang des 16. Jahr­hun­derts fertig gestellten - zwei Türme, im Gegen­satz zur Alt­städter Kirche mit nur einem, sollten diesen noch einmal heraus stellen.

Die Refor­ma­tion hat in Biele­feld ver­hält­nis­mäßig spät Einzug gehalten. Pfarrer Hermann Hamel­mann, der 1554 auf die Pfarr­stelle der Neu­städter Marien­kirche berufen wurde, gilt als Refor­mator Biele­felds. Seine theo­lo­gi­schen Meinungs­ver­schie­den­heiten bezüg­lich der Fron­leich­nams­pro­zes­sion hatten aller­dings schon seine Abset­zung im darauf fol­gen­den Jahr zur Folge. Der Prozess der Refor­ma­tion war aber nicht mehr auf­zu­halten.

Im Reli­gions­ver­gleich von Cölln bei Berlin wurden 1672 die Rechte der Katho­liken im inzwischen branden­bur­gischen, d.h. ab 1701 preußischen Kleve, Mark und Ravens­berg fest­gelegt. Dem Kano­niker-Kapitel gehörten fortan 7 evan­ge­lische und 5 katho­lische Mit­glieder an. Die Kirche selbst wurde in zwei Bereiche einge­teilt: der seit jeher als räum­liche Trenn­linie zwischen Stifts­chor und Gemeinde­kirche dienende Lettner war nun Konfes­sions­grenze!

Mit der Besetzung der links­elbischen Gebiete durch Napoleon fiel die Graf­schaft Ravens­berg an das neu errich­tete König­reich West­phalen. Im Zuge der Säkula­ri­sation erließ die in Kassel ansäs­sige Regie­rung am 1.12.1810 ein Auf­hebungs­dekret für Abteien, Klöster, Stifte usw. Dies wurde durch den Unter­prä­fekten des Dis­triktes Biele­feld den Kano­nikern bekannt gegeben und durch förm­liche Inbesitz­nahme des Vermögens des Stiftes mit all seinen Rechten, Besitz­ungen und Einkünften voll­zogen. Seit Auf­hebung des Kapitels 1810 ist die Marien­kirche nach über einem halben Jahr­tausend wieder Pfarr­kirche.

Durch die evan­ge­lische Gemeinde erfolgte 1828 die erste umfas­sende Reno­vie­rung der Kirche sowie 1840 der Verkauf der Seiten­flügel des Marien­altares. 1944, im Bomben­hagel des 30. September, wurde die Kirche schwer beschädigt. Erst 1965/66 bekamen die Türme ihre neuen, spitzen Dächer.

Literatur:

Altenberend, Johannes (Hg.), St. Marien in Bielefeld 1293 - 1993, Bielefeld 1993

Engel, Gustav, Die Stadtgründung im Bielefelde und das münstersche Stadtrecht, hrsg. vom Historischen Verein für die Grafschaft Ravensberg e.V. Bielefeld, Bielefeld 1952

Wibbing, Joachim, Die Neustädter Marienkirche in Bielefeld, DKV-Kunstführer Nr. 282/3, 3. Aufl., München u.a. o.J.