Bis zur Indu­stri­ali­sierung im 19. Jahr­hun­dert war Biele­feld insge­samt eine eher unbe­deu­tende Stadt. Zwar war sie Residenz des 1356 erlo­schenen Geschlechts der Grafen von Ravens­berg, wurde aber von ihren Erben als solche kaum genutzt. Erst mit der Zuge­hö­rigkeit zu Branden­burg-Preußen ab dem Dreißig­jährigen Krieg konnten die Biele­felder begin­nen, ihre Stel­lung als west­fä­li­sches Leinen­zen­trum zu begrün­den. In den Stadt­beschrei­bungen und Kupfer­stich-Darstel­lungen von Matthäus Merian aus dem 17. Jahr­hun­dert erfährt sie daher beschei­dene Berück­sich­ti­gung mit einem kurzen Text. Diesen zitiere ich aus unten genann­ter Quelle:


Bielfeld / Bilefeld
J
ST eine Westphälische Hanse=  Statt / sieben Meilen von Oßnabruck /  unnd zwo von Hervord / zwischen der  Graffschafft Rietberg / und Engern 1) / in  der Graffschafft Ravensperg 2) / gelegen.   
Der Nam soll ihr von Biel / oder Beil / herkommen /  damit man erstlich die Bäume umbhacken / und ein   
weites Feld / neben dem nächstgelegenen Berg / zu  Erbawung der Statt / hat räumen müssen. Und  gibt es noch viel Holtz herumb; unnd ligt ausser der  Statt auff einem Berg / unnd Felsen / das veste  Schloß Sparenberg 3). Man macht da schöne kleine  Leinwat 4). Nicht weit davon entspringet der Bach  Lutter / der bald wider in einen andern fället 5). S. Jo-   
han. Angel. Werdenhagen de reb. Hanseat. part. 4  cap. 7. p. 38. 6) Anno 1625. nahmen diesen Ort die  Brandenburgischen / aber bald hernach die Ligisti=  schen 7) wieder ein. Anno 37. im Junio / bekamen sol=   
chen die Hessische. Folgends die Schwedisch Kö=  nigsmarckische 8). Und den 6. Octobr. Anno 1639.  Herr Alexander / Freyherr von Vehlen 9) / mit Acord 10).  Und hat folgends sollen Neutral seyn.  


1) Enger bei Herford.

2) Ravensberg.

3) Die Sparrenburg bzw. Burg und Festung Sparrenberg.

4) Leinwat (= Leinwand): Bielefeld entwickelte sich ab dem 17. Jahrhundert zu einem bedeutenden Ort der Leinenherstellung.

5) Die Lutter entspringt im Stadtteil Bielefeld-Quelle und durchquert die Innenstadt, bevor sie sich im Stadtteil Milse mit dem Johannisbach zur westfälischen Aa vereint.

6) Johann Angelius (von) Werdenhagen (* 1581 Helmstedt, † 1652 Ratzeburg) war ein deutscher Philosoph (Professor der Ethik), Staats- und Rechts­wissen­schaftler und Diplomat. Als Vertreter einer wahren Herzens­fröm­mig­keit war er Gegner von Huma­nisten, Luthe­ranern und eines ortho­doxen Katho­li­zismus, was in mannig­fachen Konflikten resul­tierte. Anderer­seits gelangen ihm bemer­kens­werte diplo­ma­tische Erfolge, wofür er schließlich sogar geadelt wurde. Er verfasste zahl­reiche Werke geschicht­lichen, philo­sophi­schen, reli­giösen und poetischen Inhalts. In Leiden (NL) entstand 1631 seine Geschichte der Hanse­städte 'De rebuspublicis Hanseaticis earumque nobili confederatione' (2. Auflage 1642 in Frankfurt am Main mit Illu­stra­tionen von Matthäus Merian).

7) Mit den Ligistischen ist die Katholische Liga gemeint, ein Zusammen­schluss der meisten katholischen Fürsten­tümer im Vorfeld des Dreißig­jährigen Krieges. Sowohl prote­stan­tische (1608) als auch katho­lische (1609) Reichs­stände hatten es vermocht, sich zu konfes­sionellen Bünden zusammen zu schließen, die ihre Interessen gegen­über der jeweils anderen Konfession im Reich wahren sollten. Neben Bayern gehörten die geistlichen Fürsten­tümer Köln, Trier, Mainz und Würzburg der Katholischen Liga an. Damit hatten sich schon die Fronten des Dreißig­jährigen Krieges heraus­gebildet.

8) Hans Christoph Graf von Königsmark (König(s)mar(c)k, Hans Christoph/ff(er), * 1600 Kötzlin/Altmark, † 1663 Stockholm) war ein deutscher Heer­führer in schwedischen Diensten. 1636 schlug er die Kaiser­lichen bei Rodkirchen im Wester­wald und war dann längere Zeit schwedischer Befehls­haber in Westfalen, wonach er auf kriege­rischen Feld­zügen halb Deutschland durch­streifte. Er eroberte für die schwedische Krone die Bistümer Bremen und Verden, deren Besitz im West­fä­lischen Frieden bestätigt wurde und zu deren General­gou­ver­neur er von der schwedischen Königin ernannt wurde. Sein spektakulärster Erfolg war die Eroberung der Prager Kleinseite noch 1648.

9) Nach Einnahme der Burg und Festung Sparrenberg stellte der Ligist (s. 7) General Alexander von Vehlen eine spezielle Festungs­schanze, den der Süd­ost­seite vorgelagerten 'Halbmond', wieder her.

10) auch: Accord. Mittels eines Über­gabe­vertrages - im Gegen­satz zu: "... sich auf Gnad und Ungnad ergeben müssen".




Hintergrundfoto: Der Brungersche Giebel von 1593 am Alten Markt in Bielefeld: 32,0 KB.



Quelle:

Merian, Topographia Germaniae, Westfalen, Faksimile der Erstausgabe von 1647, Kassel, Neue Ausgabe 1961, 4. Auflage 1984.