Der Schlosshof 1899: 35,5 KB

1899: Auf dem Brodhagen wird erstmalig Mitte des 16. Jahr­hun­derts ein Gutshof erwähnt. Zuvor gab es bereits zwei Hof­stellen, Ober- und Nieder­brodhage, deren letzte noch heute besteht1). Der Gutshof war ein von Wasser­gräben umgebener, soge­nannter Gräften­hof. Obwohl dies auf einigen Reich­tum und ein daraus resul­tie­rendes Sicher­heits­bedürfnis seiner Bewohner schließen lässt, handelte es sich doch eher um ein beschei­denes Gebäude: "Es glich einem Bauern­haus mit Deele, auf der zur Rechten der Pferde­stall, zur Linken der Kuh­stall lag".2) Das Deelen­tor befand sich an der südlichen Stirn­seite, zum Wicken­kamp hin. Auf der Ansichts­karte ist es das längs stehende, hinter dem quer stehenden, als Haupt­haus wirkende Gebäude. Dieses wurde als zusätz­liches Gastro­nomie­haus erst Ende des 19. Jahr­hun­derts errich­tet. Die zugehörigen Besitzungen waren weitest­gehend verkauft, die Land­wirt­schaft einge­stellt. Zu dieser Zeit bürgerte sich auch der Name "Schlosshof", wohl aufgrund des äußeren Erschei­nungs­bildes des Anwesens, ein.

1940 - 1943 wurden ein Umschulungs-/Arbeits­lager sowie ein Alten- bzw. Siechen­heim für Juden einge­rich­tet. Gab das Umschu­lungs­lager den über­wiegend jungen Inter­nierten zunächst noch letzte Hoffnung auf eine wie auch immer noch mögliche, künftige Existenz, so wurden diese schon bald aus­schließ­lich zu Arbeits­einsätzen heran gezogen. Auch mit Lagern wie dem "Schlosshof" ging es den Auf­sichts­behörden (Gehei­mes Staats­poli­zei­amt und Reichs­sicher­heits­hauptamt) darum, die jüdische Bevöl­kerung an wenigen Orten zu konzen­trieren, um sie zu kontrol­lieren, auszu­nehmen, auszu­beuten und früher oder später umzubringen.

Deporta­tionen erfolgten von November 1941 bis März 1943 überwiegend nach Auschwitz und There­sien­stadt. Von den über den gesamten Zeitraum insgesamt 248 Insassen des "Schlosshof" überlebten 204 die Shoa nicht.

Nach dem Ende der Schreckens­herr­schaft des Dritten Reichs waren Wohnungen und Hand­werks­betriebe unter­ge­bracht. 1995 wurde das Haus verkauft und wird seitdem wieder als Gast­stätte genutzt.

Der "Schlosshof" befindet sich außer­halb des Stadt­plan­aus­schnitts, etwa 150 Meter hinter der Kreuzung Schloss­hof- und Melanch­thon­straße. Die Inset­abbildung zeigt den im "Erdgeschoss" (u. a. die Deele) des Guts­hauses einge­rich­teten Saal der Gaststätte.


1) Die Hofstelle Oberbrod­hage befand sich in unmittel­barer Nähe am inzwischen längst wieder abgeris­senen Ernst-Rein-Bad an der Straße Am Brod­hagen, wurde zuvor abgetragen und wartet im Westfä­lischen Frei­lich­tmuseum Detmold auf seine Wieder­errichtung.

2) Aus den Erinnerungen einer Freundin der seiner­zeitigen Besitzer, 1929 nieder­geschrieben. In: Der Schloss­hof, S. 92.
Das Schlossbrauhaus 1903